Im Apostolischen Glaubensbekenntnis heißt es: „Ich glaube an die Heilige Katholische Kirche.“ Ein Satz, den heute viele nicht mehr verstehen, viele nicht einmal mehr mitbeten; ja der einzige Satz des Glaubensbekenntnisses, den die Protestanten im Allgemeinen abgeändert haben. Bei seiner Auslegung zum Apostolischen Glaubensbekenntnis sagt sodann der heilige Thomas von Aquin: „Die heilige Kirche ist dasselbe wie die Gesellschaft aller Gläubigen, und ein jeder Christ ist freilich Glied dieser selben Kirche. […] Diese heilige Kirche hat aber vier Eigenschaften: sie ist eine einzige, sie ist heilig, sie ist katholisch, d. h. allgemein, und sie ist wehrfähig und beständig.“ Er erklärt kurz diese Eigenschaften: die Kirche ist eine einzige, weil sie im Glauben eine einzige ist, wie Paulus sagt: Saget allen genau dasselbe, und es seien unter Euch keine Spaltungen; seiet aber vollkommen in demselben Sinne und im selben Urteil (1Kor 1,10) sowie ein einziger Gott, ein einziger Glaube, eine einzige Taufe (Eph 4,5). Die Irrgläubigen gehören folglich nicht zu ihnen. Sie ist weiter in der Hoffnung und in der Liebe eine einzige; wer also nicht in der Liebe Christi zu seiner Kirche und der Kirche zu Christus ist (vgl. Eph 5,23-27), so Thomas, wird nicht gerettet werden, denn „es gibt keine Kirche außer dieser einen, in der die Menschen gerettet werden, wie außerhalb der Arche Noah keiner gerettet wurde“. Heilig ist sie durch die Liebe Christi und durch die Einwohnung des Heiligen Geistes, der die Seele der Kirche ist. Katholisch, allgemein ist sie, weil sie erstens in der ganzen Welt ist (die Heiligen im Himmel, die Seelen im Fegfeuer und die Gläubigen überall auf Erden sind Glieder der Kirche), weil jeder willige Mensch Glied der Kirche werden kann (hohe Herren und einfache Leute, Frauen und Männer, Europäer, Afrikaner, Asiaten, gleich wer) und weil sie überzeitlich ist (angefangen mit den Heiligen des Alten Testamentes bis über die gesamte Zeit, nach dem Versprechen Christi, immer bei uns zu sein). Zuletzt ist sie beständig, weil sie von Christus mit den Aposteln als ihre Verwalter begründet worden ist; daher finden wir auch in der Offenbarung des Johannes das neue Jerusalem mit den zwölf Grundsteinen, auf denen die Namen der Apostel stehen (21,14).
Die Kirche ist also ihrem Wesen nach etwas Geistiges; nichts Verborgenes oder nur Gedachtes, aber sehr wohl mehr als nur eine Ansammlung von – selbstverständlich zur Sünde mehr als fähigen – Menschen. In diesem Sinne gebrauchen wir das Wort zwar oft, doch sind dies eigentlich nur Blickpunkte, gewissermaßen Ausläufer der Kiche. Ihr Wesen liegt in ihren vier Merkmalen und in ihren Aufgaben, nämlich der Heiligung des Menschen durch die Sakramente und die Verkündung der Lehre.
In Deutschland ist die Katholische Kirche als Körperschaft öffentlichen Rechts organisiert, bei welcher jeder Deutsche durch die Taufe Mitglied wird und dann 9% von seiner Einkommenssteuer als Kirchensteuer entrichten muss. Was aber, wenn man aus irgendeinem Grund diese Kirchensteuer nicht an besagte Körperschaft entrichten will? Hier muss man klar zwischen der Kirche im Glaubensbekenntnis und der Körperschaft unterscheiden. Tritt man aus der Körperschaft aus, muss man keine Kirchensteuer mehr bezahlen, hat aber auch mit Sanktionen zu rechnen. Weltlich gesprochen bekommt man von den Mitgliedern der Körperschaft dann keine „Dienstleistungen“ mehr, also kein Sakrament der Ehe mit kirchlicher Trauung, normalerweise kein Begräbnis etc. Der Ausschluss von diesen Mitteln der Kirche, die für ein Leben mit dem Segen und der Unterstützung Gottes unerlässlich sind, ist eigentlich eine der schwersten Sanktionen, die die Kirche als übernatürliche Institution ergreifen kann, und resultiert normalerweise aus der Trennung von der Kirche, wenn der Gläubige exkommuniziert, also aus der Gemeinschaft der Christgläubigen ausgeschlossen wird. Nach einer Erklärung des Heiligen Stuhles ist aber der Austritt aus der Kirchen-Körperschaft nicht gleichbedeutend mit einer Exkommunikation. Wieso?
Weil es für eine Exkommunikation deutlich mehr braucht als persönliche Unzufriedenheit oder gar den Wunsch, nur gezielten Organisationen in der Kirche seine finanzielle Unterstützung zuzuleiten. Für das Eintreffen der Exkommunikation ist die Leugnung des Glaubens der Kirche oder die bewusste Trennung von der Hierarchie der Kirche nötig. Wenn also jemand beispielsweise sagt: „Christus hat keine Kirche gegründet, mein Herrgott reicht mir aus!“, dann trennt er sich bewusst von der Einen, Heiligen, Katholischen und Apostolischen Kirche, wie im ersten Absatz ausgeführt, und ihm müssen die Sakramente auch wirklich verweigert werden (welche Gnade sollte er auch aus ihnen empfangen, wenn sein Herz partout fern von Gottes Anordnungen verharrt?). Hat das jedoch andere, rein praktische Gründe – im Regelfall daran ersichtlich, dass diese Katholiken sonntäglich zur Messe gehen, ein dem Glauben der Kirche gemäßes Leben führen und ein reges Verlangen z. B. nach der Beichte haben --, wird sich normalerweise ein Priester finden, der trotz des Austritts die Sakramente spendet.
Die Tatsache, dass man in Deutschland als Katholik gezwungen ist, die Kirchensteuer zu zahlen, ist also sehr umstritten. Die Existenz der Kirchensteuer in Deutschland hat kurz gesagt historische Gründe.
In den letzten Jahrzehnten sind die Kirchenmitgliedszahlen deutlich zurückgegangen. Im Jahr 2021 hatten die deutschen Katholiken rund 21,6 Millionen gezählt und somit 26% der Bevölkerung gestellt. 2022 verlor die Katholische Kirche in Deutschland durch Austritt oder Tod rund 763.000 Mitglieder. Mit 522.821 Austritten wurde somit ein neuer Rekord aufgestellt (ein Jahr zuvor waren fast 200.000 Menschen weniger ausgetreten). Rund 160.000 Menschen wurden getauft oder (wieder-)aufgenommen. Von den nun verbliebenen 20,9 Millionen besuchen laut großzügiger Statistiken rund 5,7% die Gottesdienste.
Trotz rückläufiger Kirchenmitgliedszahlen stiegen die Kirchensteuereinnahmen ohne Einrechnen der Inflation im Jahr 2022 um 1,7% im Vergleich zum Vorjahr auf rund 6,8 Milliarden Euro. Hintergrund für den Anstieg trotz Austritten sind die gestiegenen Löhne.
Beginnen wir mit Anneliese. Sie ist inzwischen fünffache Oma. Mit dem katholischen Glauben ist sie von klein an aufgewachsen. Sie hat noch dunkle Erinnerungen an „damals, als die Messe nicht zu verstehen war“. Ihre Eltern vor ihr sind immer in die Kirche gegangen, und deren Eltern vor ihnen – also tut Anneliese es auch. Ihre eigenen Kinder gehen auch noch ganz gerne mal in die Kirche. Leider halten die Enkel nichts davon, obwohl der Pfarrer sich doch so große Mühe gibt, Neues Geistliches Liedgut (die Neuheit der 1960er Jahre) verwendet und die Gemeinde immer überschwänglich begrüßt. Seine Predigten sind auch ansprechend. Zugegeben, Anneliese weiß nicht mehr, worum die letzte Sonntagspredigt ging. Wahrscheinlich hatte sie irgendwie mit Nächstenliebe zu tun und mit dem Fußballspiel am Sonntag davor. Jedenfalls war sie anspruchslos. Die Enkel finden die Kirche trotzdem angestaubt. Um was für eine schöne Gemeinschaft sie sich doch bringen!
Annelieses Pfarrei ist eine deutsche Durchschnittspfarrei.
Fahren wir fort mit einem weiteren, jüngeren, Gläubigen, nennen wir ihn Max. Max, der als einer der wenigen seiner Altersgenossen im Glauben aufgewachsen ist, hat seine Pfarrkirche seit Langem nicht betreten, weil dort in der Messe Clowns auftreten und blasphemische Predigten gehalten werden. Beichtgelegenheiten gibt es keine, auf Nachfrage bekam er nur die Antwort: „Das ist doch vorkonziliar.“ Max hat sich mal beim Bischof beschwert, seinem Amt nach Nachfolger der Apostel und Hüter des Glaubens – aber der hat ihn ausgelacht. David im Nachbarbistum, der im Alter von 16 Jahren seinen Glauben neu entdeckt hat, wurde gesagt, der Pfarrer müsse das selbst wissen. Max besucht jetzt die Messe bei einer Ordensgemeinschaft in derselben Stadt, David fährt eine halbe Stunde zu einer anderen Pfarrei, die von einem tiefgläubigen (und übrigens jungen) Priester geleitet wird. Die Ordensgemeinschaften in seiner Nähe sind häretisch und die Messe im alten Ritus hat der Bischof verboten.
Max hat das letzte Mal mit seinem Pfarrer gesprochen, als er heiraten wollte. Die Kinder, die Max und seine Frau inzwischen haben, sind im Glauben auf sich allein gestellt, denn die diözesanen Jugendverbände sind geistlich desinteressiert, dafür aber hochpolitisch. Zum Teil wurde die eigene Fahne durch eine Regenbogenfahne ersetzt.
David hat sich entschlossen, ins Priesterseminar seiner Diözese einzutreten. Er ist der erste in drei Jahren. Die diözesanen Seminare sind leer, wurden zum Teil geschlossen. David quält sich also durch das Theologiestudium, wo er manchmal fast explodieren möchte, wenn einer der Professoren den Glauben nach Strich und Faden leugnet. Er hält den Mund, weil er keinen Ärger möchte. Eine Kommilitonin, Lisa, ist durch eine Prüfung gefallen, weil sie vom „Messopfer“ gesprochen hat. David geht manchmal heimlich in die Messe im alten Ritus, aber im Seminar darf das niemand erfahren. Er ist sicher, dass er zum Leben eines Diözesanpriesters berufen ist, nicht zum Gemeinschaftsleben, sonst wäre er längst in eine Gemeinschaft der Tradition eingetreten. Immerhin gibt es in der Stadt und auch im Seminar noch gute Priester. Ein Freund von ihm aus einem anderen Seminar hat von „geistlichen Übungen“ bei Einkehrtagen berichtet, die so explizit sexuell waren, dass es eigentlich übergriffig war.
Lisa ist Konvertitin und kirchenpolitisch aktiv. Sie hat mit großer Sorge den „Synodalen Weg“ verfolgt, der jetzt in andere Gremien überführt werden soll. Der Synodale Weg war ein kirchenrechtlich nicht gedecktes Format, wo die deutschen Bischöfe und einige Laienvertreter (zumeist Mitglieder kirchenpolitisch „progressiver“ Verbände, welche von der eingangs erwähnten Kirchensteuer finanziert werden) unter dem Vorwand, sexuellen Missbrauch aufzuarbeiten, „neue“ (wie das Liedgut etwa 60 Jahre alte) Forderungen auf den Tisch gebracht haben: Abschaffung des Pflichtzölibats, Frauenordination, Segnung homosexueller Beziehungen, Demokratisierung der Kirche. Die glaubenstreuen Bischöfe, die vielleicht einiges hätten verhindern können, wurden zum großen Teil eingeschüchtert und enthielten sich. Neben den Bischöfen war an diesem Prozess maßgeblich das „Zentralkomitee der deutschen Katholiken“ (ZdK) beteiligt. Diese Organisation gibt sich als die Vertretung der deutschen Laien, obwohl sie – höchst demokratisch – von diesen nicht gewählt wurde. Sie wird aber von der reichlich vorhandenen Kirchensteuer finanziert und hat großen Einfluss in der „deutschen Kirche.“ Das Zdk fordert sogar, die Kirchensteuer mitverwalten zu dürfen. Lisa möchte sich gerne einbringen, um die Dinge zum Besseren zu verändern. Aber in den einflussreichen Verbänden wird sie niemals eine Chance haben. So steht sie sich bei Demonstrationen die Beine in den Bauch und schreibt Artikel über die Lage der Kirche in Deutschland. Ein Tropfen auf dem heißen Stein? Lisa hat manchmal nur wenig Hoffnung, auch wenn sie weiß, dass Christus die Kirche als Ganzes bewahren wird. Praktisch erhofft sie von ihrer Arbeit dreierlei: Laien und Klerus (auch Bischöfe), die es nötig haben, zu ermutigen, den Bischöfen ins Gewissen zu reden und diejenigen, die nicht wissen, was vor sich geht, darauf aufmerksam zu machen.
Lisa hat an der Universität eine Enkelin von Anneliese kennengelernt, die ein anderes Fach studiert. Durch die Freundschaft der beiden kam es dazu, dass Annelieses Enkelin sich ebenfalls wieder dem Glauben zugewandt hat. Manchmal fahren die beiden gemeinsam zu Veranstaltungen einer tatsächlich katholischen Jugendgruppe wie der Christkönigsjugend oder der Jugend 2000. Beide junge Frauen haben durch ihren Glauben bei ihren Familien Anstoß erregt. Auch Oma Anneliese findet, dass ihre Enkelin übertreibt. Den Freundinnen ist das egal. Sie träumen von einer Zukunft, wo die Gesellschaft wieder vom Glauben durchdrungen ist, auch wenn sie befürchten, dass sich die Dinge eher ins Gegenteil bewegen. Sie sind froh, in diesem Fall den Anfang der Schwierigkeiten miterlebt zu haben – so können sie langsam an den Herausforderungen wachsen. Die Bekehrung von Annelieses Enkelin hat Lisa daran erinnert, dass sie nicht umsonst arbeitet. Sie sieht jetzt wieder mit mehr Hoffnung in die Zukunft. Derzeit sieht sie für ihr Heimatland, das sie von ganzem Herzen liebt, nur noch die Hoffnung auf ein Wunder – aber wenn einzelne Wunder möglich sind, warum nicht dieses vielfache Wunder? In der Ewigkeit sehen die Dinge anders aus und der Synodale Weg könnte schon bald ebenso ein Eintrag in den Geschichtsbüchern sein wie andere, größere Kirchenkrisen.
„Ich weiß. Es ist alles falsch. Eigentlich sollten wir nicht einmal hier sein. Aber wir sind es. Es ist wie in den großen Geschichten, Herr Frodo. Die, die wirklich wichtig waren. Voller Dunkelheit und Gefahr waren sie. Und manchmal wollte man das Ende nicht wissen. Denn wie konnte das Ende glücklich sein? Wie konnte die Welt zu dem zurückkehren, wie es war, als so viel Schlimmes geschehen war? Aber am Ende ist es nur eine vorübergehende Sache, dieser Schatten. Sogar die Dunkelheit muss vorübergehen. Ein neuer Tag wird kommen. Und wenn die Sonne scheint, wird sie klarer leuchten. Das waren die Geschichten, die immer in deinem Gedächtnis bleiben. Das bedeutete etwas, auch wenn man zu klein war, um zu verstehen, warum. Aber ich denke, Herr Frodo, ich verstehe das. Ich weiß es jetzt. Leute in diesen Geschichten hatten viele Chancen, sich zurückzudrehen, nur sie taten es nicht. Sie gingen weiter. Weil sie an etwas festhielten.“