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Bericht über die Herbst-Vollversammlung der deutschen Bischofskonferenz vom 26. – 29.09.22 in Fulda


1. Tag – Montag, 26.09.22

Ein kühler Wind weht am Vormittag des 26. September auf dem Vorplatz des Doms zu Fulda. Noch ist kaum etwas los; lediglich ein paar Touristen und Presseleute huschen über den ausladenden Platz mitten im Herzen der Altstadt. Im Dom dann geschäftiges Treiben: Eine Kirchenführerin erklärt einer Reisegruppe, dass man den Dom so reichhaltig geschmückt, wie er sich jetzt präsentiert, nur an den hohen Festen des Kirchenjahres erleben kann. Männer verlegen Kabel für die anstehenden Übertragungen aus der Kathedralkirche, die Mesnerinnen bügeln die Altardecken auf und Hocker werden zurechtgerückt. Stück für Stück trudeln die einzelnen Bischöfe im Priesterseminar ein, während die Männer und Frauen der Presse ihre Akkreditierungsausweise abholen.

Pünktlich um 14:30 beginnt die Vollversammlung dann mit dem Presseauftakt im Dompfarrzentrum. Pressesprecher Kopp, Bischof Bätzing und Frau Gilles treten vor die zahlreich erschienenen Vertreter der Presse. Das Herbsttreffen ist anders, gewichtiger so habe ich es den Tag über immer wieder von verschiedenen Seiten gehört. Dies ist kaum verwunderlich, blickt man auf die vergangene Synodalversammlung in Frankfurt und den anstehenden Ad-limina-Besuch in Rom. Vieles ist in Aufruhr, im Neu-Entstehen, im Ungewissen. Bischof Bätzing stellt eine überladene Tagesordnung vor, die wohl als äußerst ambitioniert bezeichnet werden kann. Ob man all den von ihm genannten Themen die ihnen gebührende Zeit widmen kann, bleibt abzuwarten. Unter anderem soll es um die Ahrtalflut und die Rolle der Kirche gehen, die Zukunft der Missbrauchsarbeit mit Verabschiedung des „alten“ DBK-Beauftragten und der Vorstellung eines „neuen“ Mannes in dieser wichtigen Funktion, einem Rückblick auf die vierte Synodalversammlung und Planungen rund um den Ad-limina-Besuch der deutschen Bischöfe. Nach dem Pressestatement und einigen Rückfragen von Seiten der Medien gingen alle erst einmal auseinander.

Der nächste Programmpunkt war dann der Bildertermin im Fuldaer Stadtschloss. Die 67 anwesenden Bischöfe machten sich fast alle zu Fuß auf den Weg zum Pressefoto und kamen so unumwunden an der Gebetsdemonstration von Maria 1.0 vorbei. 50 Personen hatten sich dort versammelt um betend, singend und mit Schildern Präsenz zu zeigen. Die zentrale Botschaft, so konnte man im Gespräch immer wieder hören, lautete: „Mehrheit schafft noch keine Wahrheit, besonders wenn es manche Mehrheiten ohnehin nur auf deutscher Ebene gibt.“

2. Tag – Dienstag, 27.09.22

Schon etwas früher brach ich zum Dom auf, um die Stimmungen rund um den Eröffnungsgottesdienst einzufangen und das Grab des heiligen Bonifatius aufzusuchen. Die Atmosphäre war weniger erwartungsvoll als noch am Vortag: Der morgendlichen Ruhe mischte sich eine deutlich ernste Stimmung bei, bis die junge Domkantorei schließlich die Stille mit ihrem Einsingen durchbrach. Neben dem Übertragungsteam, dem liturgischen Dienst, einigen Gläubigen und manchem Schaulustigem, kamen nur einige wenige andere Pressevertreter, die nach Ende der Predigt teils sichtlich das Interesse verloren. In seiner Predigt stellte Bischof Bätzing heraus, dass ihm „allzu sicher behauptete Kontinuen, also lückenlose Zusammenhänge nach dem Motto: das ist immer so gewesen; das wurde immer so geglaubt; was gestern falsch war, kann doch heute nicht richtig sein“ suspekt sind.

Nach der Heiligen Messe schaute ich noch bei Bischof Dyba am Grab vorbei und als ich die Kathedralkirche verließ, stolperte ich in eine unangenehme Begebenheit: Vor dem Dom hatte sich eine Menschtraube um einen Herrn mittleren Alters gebildet, der die Eucharistie zu entwenden versucht hatte. Einige aufmerksame Schwestern und Ordner konnten ihn gemeinsam mit einem Domkapitular stoppen und die von ihm mittlerweile aus Wut zerbröselte Hostie in Einzelteilen sicherstellen. Der Mann zog von dannen und ich begleitete den Domkapitular an einen Seitenaltar, wo dieser nach einigen gemeinsamen Gebeten die zerstückelte Hostie konsumierte.

Um 13:00 folgte dann das Pressegespräch zum Thema: „Ein Jahr nach der Flut: Kirchliche Aufbauhilfe, Notfallseelsorge und der Einsatz für die Menschen“. In beindruckender Weise stellten Frau Plum von der Fluthilfekoordination der Caritas und Frau Nagel, Notfallseelsorgerin der Region Aachen, dar, wie dramatisch die Lage vor Ort war, welche Maßnahmen ergriffen wurden und wo die Kirche den Menschen Räume und Hilfe anbot.

Nachdenklich machte mich ein Satz von Frau Plum, die erzählte, dass Menschen vielfach nicht beten wollten oder konnten und man sich so in den Kirchen „nur“ zum Frühstücken traf, um das weitere Vorgehen zu planen und Informationen auszutauschen. Scheinbar wollten oder konnten die Geistlichen vor Ort den Menschen „Gebet“ nicht zusätzlich aufbürden. Die beiden anwesenden Bischöfe stellten leider nicht heraus, dass gerade in solchen schwierigen Lagen das Gebet und die Sakramente eine große Kraft entfalten und den Menschen zusätzlich Hilfe und Trost spenden können; insgesamt blieben Bischof Kohlgraf und Weihbischof Hauke recht blass. Das Thema Notfallseelsorge muss sich, da war sich das Podium einig, weiter investieren und personell erweitern, besonders da sich die Nöte der Menschen in diesen Tagen nicht etwa verringern, sondern Unsicherheiten und Ängste weiter wachsen werden. Nach dem Mittagessen zogen die Bischöfe wieder in einem losen Trott mit einiger zeitlicher Verzögerung hinauf zum Fuldaer Stadtschloss, um ihre Beratungen wieder aufzunehmen. Bischof Bohdan Dsjurach CSsR, Apostolischer Exarch für die Ukrainer des byzantinischen Ritus in Deutschland und Skandinavien, zeigte sich in einem kurzen Gespräch besorgt ob der problematischen Lage der Ortskirche in Deutschland und sagte, dass trotz allen Problemen die Kirche immer noch dem Herrn gehöre.

3. Tag – Mittwoch, 28.09.22

Wie schon während der letzten Tage beehrte uns das Wetter in Fulda mit Nässe und verhangenem Himmel. Trotzdem waren viele Journalisten gekommen, um der Morgenmesse beizuwohnen, der heute Kardinal Woelki vorstand. Wenig überraschend bot Woelkis Predigt keine Spitzen oder Kritiken – sie blieb durchwegs nüchtern und beschreibend. Bischof Bätzing hatte es sich tags zuvor jedoch nicht nehmen lassen, seine theologischen „Gegner“ zu ermahnen. Wie jeden Tag brachen die Bischöfe nach dem Frühstück zum Sitzungssaal im Stadtschloss auf. An diesem Tag stand unter anderem ein thematischer Teil zum Synodalen Weg auf der Agenda, bei dem „Externe“ zu Wort kamen. Im Gespräch mit einigen Bischöfen wurde besonders der rabiate Tonfall von Schwester Kluitmann moniert, die offen bekundete: „Der Fisch stinkt immer vom Kopf her“.

Ich nutzte die freie Zeit am Vormittag dazu, mit verschiedenen Menschen rund um den Domplatz ins Gespräch zu kommen. Unter anderem fragte ich nach ihrer Meinung zur katholischen Kirche, notwendigen Reformen und wollte von Ihnen wissen: „Wozu überhaupt glauben?“ Die Antworten divergierten von Befragten zu Befragten teils immens: Dies lag natürlich auch an der jeweiligen Kirchenbindung, Herkunft oder den jeweiligen persönlichen Interessen. Wenn ich auf die vielen Gespräche zurückblicke, so merke ich deutlich, dass die Kirche in den letzten Jahrzehnten einen Schwerpunkt völlig ausgeklammert hat, was sich jetzt immer deutlicher zeigt: Was den katholischen Glauben eigentlich ausmacht und wozu ihn der Mensch braucht. Von 20 Interviewpartnern konnte mir an diesem Vormittag niemand eine Antwort geben. Lediglich Teilaspekte wie Gemeinschaft und Soziales wurden genannt; dass Gott dem Menschen aber Leben in Fülle schenken möchte, ihm durch seinen Tod und seine Auferstehung das Leben erkauft hat und wir hoffen dereinst ewig zu leben in seinem Reich, war für die Befragten derartig überraschend, dass manche mich fragten, ob ich einen Scherz machen würde – kurzum, sie waren völlig überrascht dies zu hören und meldeten rück, dass sie das noch nie gehört hätten.

Um 13:00 Uhr folgte das Pressegespräch zum Thema „Aufarbeitung sexuellen Missbrauchs im kirchlichen Bereich“. Bischof Dieser wurde von den Bischöfen als Nachfolger für Bischof Ackermann für den Posten als Beauftragter der DBK für Fragen des sexuellen Missbrauchs gewählt; Erzbischof Burger wird ihn dabei als Vize unterstützen. Es wurden die zahlreichen Maßnahmen und der Fortschritt der letzten 12 Jahre in grober Weise skizziert, wobei klar wurde, dass manche Schritte zwar gegangen wurden, aber noch viel Weg vor der Kirche in Deutschland liegt. Das Zweigespann Dieser und Burger wird in dieser so wichtigen Angelegenheit unermüdlich weiterarbeiten. Der Raum des Pressegesprächs war bis zum letzten Platz gefüllt und es waren alle wichtigen Fernsehsender anwesend, um davon zu berichten. Die Pressefragen zielten in die verschiedensten Richtungen und waren breit aufgestellt. Lediglich ein einziges Mal kam die Sprache auf den Synodalen Weg: Herr Frank vom Kölner Stadtanzeiger hatte nach der Rolle des Synodalen Weges gefragt, insbesondere nach dem Signal, welches der abgeschmetterte Grundtext senden würde. Bischof Dieser antwortete ihm darauf, dass der Text zwar nicht die erforderliche Mehrheit erhalten habe, aber trotzdem die Mehrheit der Bischöfe zugestimmt habe.

4. Tag – Donnerstag, 29.09.22

Der abschließende Sitzungstag hatte es noch einmal in sich. Um 7:30 Uhr begann der Tag mit einer Hl. Messe, der Kardinal Marx vorstand. Die Reihen der Bischöfe hatten sich zum Vortag noch einmal deutlich gelichtet. Nur etwa die Hälfte der tagenden Bischöfe kam zur gemeinsamen Eucharistiefeier an diesem Morgen. Auf die Frage des Chefredakteurs von Domradio.de, wo denn die anderen Bischöfe gewesen seien, antwortete Bätzing bei der abschließenden Pressekonferenz ausweichend. In seiner Predigt unterstrich Kardinal Marx die Wichtigkeit des „Suchens“: Lange Zeit hat die Kirche, so Marx, ausschließlich Inhalte vermitteln wollen, was geglaubt werden muss oder nicht getan werden darf, darüber aber das Suchen vergessen. Er erinnerte daran, dass selbst Aussagen aus Schrift und Tradition immer nur Analogien seien, wenn es um das Reden von Gott gehe.

Direkt vor der Mittagspause nahmen sich Bischof Dieser (neuer Beauftragter für Fragen des sexuellen Missbrauchs) und Erzbischof Burger (sein Vize) etwas Zeit, um mit Betroffenen ins Gespräch zu kommen, die vor dem Stadtschloss Fulda die Tage der Konferenz über mit einem Stand vertreten waren.

Um 14 Uhr folgte dann die Abschlusspressekonferenz, wobei die Bischöfe den Nachmittag über noch weiter tagten. Neben kurzen Zusammenfassungen über Themen, die in den anderen Pressekonferenzen schon ausführlich besprochen wurden, rückte besonders der Synodale Weg in den Mittelpunkt des Pressegesprächs, besonders im Hinblick auf den anstehenden Ad-limina-Besuch. Immer wieder, auch schon die letzten Tage, stellten die Journalisten die Frage nach der Einmütigkeit bzw. der Stimmungslage unter den deutschen Bischöfen: Leicht „genervt“ stellte Bischof Bätzing auch an diesem Tag fest, dass trotz der unterschiedlichen Positionen eine gewisse bischöfliche Kollegialität vorhanden sei – er schien aber selbst nicht gänzlich davon überzeugt zu sein. Er fasste das ganze in das Wort: Konsens über einen Dissens. Den auf der letzten Synodalversammlung ganz klar zutage tretenden bischöflichen Dissens, konnte auch die Herbstvollversammlung nicht lösen.

Bischof Bätzing reagierte auch auf Äußerungen von Kurt Kardinal Koch in einem Interview in der Tagespost. Koch sagte dort wörtlich: „Es irritiert mich, dass neben den Offenbarungsquellen von Schrift und Tradition noch neue Quellen angenommen werden; und es erschreckt mich, dass dies – wieder – in Deutschland geschieht. Denn diese Erscheinung hat es bereits während der nationalsozialistischen Diktatur gegeben, als die sogenannten „Deutschen Christen“ Gottes neue Offenbarung in Blut und Boden und im Aufstieg Hitlers gesehen haben.“

Bischof Bätzing hielt diese Äußerung für verstörend und für eine völlig inakzeptable Entgleisung. Laut Bätzing disqualifiziere sich Koch damit in der theologischen Debatte und er erwarte von ihm eine öffentliche Entschuldigung, ansonsten würde er sich offiziell beim Heiligen Vater beschweren. Weiter erklärte Bätzing, dass aus Koch die Angst spräche, und zwar die Angst, dass sich etwas bewegt, etwas verändert. Ein Herr vom Cicero Magazin gab zu bedenken, dass es in Rom sicherlich auch andere Bischöfe gibt, die so denken, wie Kardinal Koch. Bätzing erwiderte: Mit all unserer argumentatorischen und geistlichen Kraft bringen wir Vorschläge zur Veränderung der kirchlichen Lehre (erst einmal des kirchlichen Lebens und der pastoralen Praxis) in unserem eigenen Land ein und da werden wir ganz viel von umsetzen. Koch stellte mittlerweile klar, seine Aussage nicht zurückzunehmen (https://www.die-tagespost.de/kirche/synodaler-weg/koch-antwortet-baetzing-nehme-aussage-nicht-zurueck-art-232671).

Nachdem bereits Maria 1.0 am Eröffnungstag der Vollversammlung mit einer Gruppe von 50 Personen zugegen war, ließen es sich Maria 2.0, Aktion Lila Stola, KAB Würzburg, KDFB Würzburg, der kfd-Diözesanverband Fulda und Wir sind Kirche e.V. nicht nehmen, mit einer eigenen Demonstration auf ihre Themen aufmerksam zu machen. Etwa 60 Personen versammelten sich am Bahnhofsvorplatz und zogen anschließend in schwarzer Kleidung in Form einer Mahnwache mit verschiedenen Stationen zum Domplatz zu Fulda. Eine der Frauen trug symbolisch eine Urne voran, die bei jeder Station mit „verbrannter Erde“ befüllt wurde. Neben den klassischen Forderungen nach Frauenweihe, Missbrauchsaufklärung, Anerkennung von geschlechtlicher Vielfalt, wollten sie mit dem Marsch ihre Frustration über den langsamen Fortgangs des Synodalen Weges und die Wut über die Sperrminorität zum Ausdruck bringen. Am Ende der Demonstration überreichten sie die Urne symbolisch Bischof Bode und Bischof Gerber. Während die Teilnehmer der Demonstration ein sog. „Tröster-Mahl“ abhielten, bei dem sie Wein und Brot teilten, wurde in einer vollbesetzten Kathedralkirche die Vesper gesungen.